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Uniforum 1988: Die mageren Jahre sind vorbei

Unix-Markt hat kritische Masse erreicht

Computerwoche 11.03.1988


Nicht Ewing Oil und Bösewicht J. R. waren diesmal im texanischen Dallas das Thema, sondern Unix. Auf der Uniforum, die alle Jahre wieder in der Unix-Gemeinde als das ganz große Ereignis gilt, hat sich Eitel Dignatz für die COMPUTERWOCHE umgesehen.

Nach sieben mageren Jahren ist nun die Zeit des Darbens endgültig vorbei, denn der Unix-Markt hat jetzt seine kritische Masse erreicht. Auslöser dafür, das zeichnete sich schon bei der letzten Uniforum ab, sind nicht zuletzt amerikanische Regierungsbehörden und Großkunden wie etwa Boeing oder General Motors.

Diesem Markt-Sog konnte oder wollte sich nicht einmal die IBM entziehen, die eine Reihe von Unix-Produkten für das PS/2 Modell 80 und den RT PC ankündigte. Verbal zumindest erhob William C. Lowe, IBM-Vice-President und President der Entry Systems Division (ESD), Unix in den Rang eines strategischen IBM-Produktes. Die IBM, so Lowe, werde "in die Entwicklung von Unix-Workstations genausoviel Geld investieren wie in die der PS/2-Systeme. Wir wollen die Führerrolle im Markt der Unix-Hochleistungs-Workstations einnehmen ... Allein in den gut zwei Jahren seit der Ankündigung des RT Personal Computers haben wir dessen Leistung vervierfacht. Und bis zum Jahre 1989 werden wir bei den Top-Modellen der AIX-Workstation-Familie viermal soviel Leistung und die vierfache Speicherkapazität der heutigen RT-Modelle haben."

Hellhörig macht allerdings, daß Big Blue vom amerikanischen National Bureau of Standards (NBS) beauftragt wurde, Konformitätstests für IEEE P1003.1 (Posix) und P1003.2 (Shell and Application Utilities) zu entwickeln. Die Entwicklung dieser Test-Suite wird auf dem RT PC erfolgen.

Die Highlights der IBM-Produktankündigungen bestanden vor allem darin, daß AIX samt einer Reihe von Anwenderpaketen nun auch für das PS/2 Modell 80 verfügbar sein wird. Die Mehrzahl der Produkte soll ab September 1988 ausgeliefert werden, einige allerdings erst 1989. Vor diesem Hintergrund mutete es befremdlich an, wenn Lowe ausgerechnet hier den DEC-Slogan drosch: "We have it now".

"Connectivity" (Motto der diesjährigen Uniforum) präsentierte der Mainframe-Monopolist im Rahmen seiner AIX-Produktankündigungen: Eine Portierung von Suns Network File System (NFS) soll sowohl für den RT PC (995 Dollar) als auch für das Flaggschiff der PS/2-Serie (400 Dollar) ab September 1988 beziehungsweise März 1989 verfügbar sein. Nicht durch flotte Sprüche, sondern durch Taten glänzte Sun Microsystems. Der Workstation-Primus, der im Januar der X/Open-Gruppe beigetreten war, stellte neben einer Reihe von Softwareprodukten auch eine neue Risc-Maschine vor. Das Modell 4 /110 basiert auf der Sparc-Architektur, leistet laut Sun 7 (VAX-) Mips und stellt zum Preis von rund 19000 Dollar das Einstiegsmodell in die Sun-4-Serie dar. Der verwendete Sparc-Chip wurde gemeinsam von Sun und Fujitsu Microelectronics entwickelt.

Ebenso wie Sun Lizenzen für die Sparc-Technologie prinzipiell an beliebige Interessenten vergibt, ist auch der von Fujitsu gefertigte Sparc-Chip am Markt frei verfügbar. Bereits im vergangenen Jahr haben zwei weitere Lizenznehmer der Sparc-Architektur angekündigt, 1988 mit noch leistungsfähigeren Versionen auf den Markt zu kommen: Cypress Semiconductor will mit einer CMOS-Implementierung 20 Mips schaffen, während Bipolar Integrated Technology (BIT) mit einer ECL-Implementierung gar die 40-Mips-Marke anpeilt. Bis 1990 hält Scott McNealy, President und Chief Executive Officer von Sun Microsystems, sogar 100 Mips für erreichbar.

Unix-Implementierungen werden über das gesamte Leistungsspektrum der Sparc-Prozessoren dennoch eine gemeinsame binäre Schnittstelle für Anwenderprogramme besitzen. Unabhängig vom Rechnerhersteller ist Anwendersoftware, die beispielsweise auf einer Sparc-Workstation kompiliert wurde, dank dem Applications Binary Interface (ABI) im Binärformat ohne Änderung oder Neukompilierung auf einem beliebigen Sparc-Mini, einem Sparc-Mainframe oder Sparc-Supercomputer ablauffähig. An einer vom Grundsatz her vergleichbaren ABI-Definition für die 680X0-Prozessorfamilie arbeiten derzeit Motorola und Unisoft Corporation.

Auf über 175 Lizenznehmer für das Net File System (NFS) hatte Sun es bis zur Uniforum gebracht. Neu im Bunde sind neben IBM auch Amdahl, Control Data und National Advanced Systems. Als besonderen Erfolg dürfte es Sun verbuchen, daß NFS auch fester Bestandteil von System V.4 werden soll, obwohl AT&T vor einem Jahr noch fest entschlossen schien, das hauseigene Remote File System (RFS) standhaft gegen den Rest der Welt durchzusetzen - koste es, was es wolle. Gleichzeitig kündigte Sun die Version 3.0 seines PC-NFS an, das ab Ende März ausgeliefert werden soll und auch sämtliche IBM-PS/2-Modelle unterstützt. Mittels weiterer Sun-Link-Produkte, die auf einem Sun-Fileserver laufen, können PC-NFS-Anwender mit Rechnern in SNA-, X.25- und Decnet-Netzen kommunizieren.

Mehr als 50 Lizenznehmer verzeichnen Sun nach eigenen Angaben derzeit für sein Windowing-Produkt NeWS. Die Santa Cruz Operation (SCO) kündigte gemeinsam mit Sun an, daß SCO im Herbst dieses Jahres für SCO Xenix ein X11/NeWS-Windowing-Paket auf den Markt bringen wird, das aus X/Windows (X11) als unterer und NeWS als darüberliegender Schicht besteht. X11/NeWS soll ebenfalls fester Bestandteil einer künftigen AT&T-Unix-Version werden.

Einen Blick in die Küche gestattete die amerikanische Telefon-Lady AT&T, indem sie einen Vorgeschmack auf das künftige System-V.4-Release gab. Diese Version soll Features aus drei am Markt verbreiteten Versionen umfassen: BSD 4.2/ 4.3, Xenix System V und SunOS, das auf BSD4.2 basiert. Release 4 wird die Anforderungen der System V Interface Definition (SVID), der IEEE-P1003-(Posix-) und auch der X/Open-Definition erfüllen. Portierungsbasis soll zunächst AT&Ts 3B2 sein, doch kurze Zeit später sollen Sparc- und 80386-Versionen folgen. Das Beta-Pre-Release für die 3B2 will AT&T 1989 ausliefern. System V.4 wird sowohl RFS als auch NFS enthalten. Für Applikationen, die verteilte Verarbeitung im Netz betreiben, wird außerdem das Konzept Remote Procedure Call (RPC) implementiert sein. Der mitgelieferte C-Compiler soll zum ANSI-X3J11-Standard konform sein, und schließlich soll System V.4 über eine Message-Handling-Facility verfügen.

Wohl mehr als Absichtserklärung denn als fertiges Konzept muß "eine verbesserte Realtime-Fähigkeit" herhalten. Was sich dahinter verbirgt, dürfte derzeit kaum endgültig feststehen. IEEE-Definition wird vermutlich übernommen Zu vermuten ist, daß man sich hier in die Definition des IEEE-P1003.4-Komitees halten wird. Das aber bearbeitet gerade erst den zweiten Entwurf für "Realtime Extensions".

Bleibt abschließend zu vermerken, daß sich nun auch Apple mit Fanfarenstößen im Unix-Markt bemerkbar macht. Zum Medienspektakel geriet denn auch die Uniforum-Eröffnungsrede von John Sculley, der das Rampenlicht nutzte, um über Apple, nochmals Apple, und gelegentlich ein bißchen über Unix zu reden. Die Grenzen zwischen Eröffnungsansprache und unmittelbar folgender Apple-Pressekonferenz waren dabei durchaus fließend. Angekündigt wurde A/UX, eine Unisoft-Portierung von System V.2.2 für den Macintosh II. Eine brauchbare Hard-/Software-Konfiguration kostet als sogenanntes Entwicklungssystem mit 4 MB RAM, 80 MB Platte, Ethernet-Anschluß und Monochrom-Monitor knapp 10000 Dollar, die Farbversion rund 750 Dollar mehr.


Eitel Dignatz ist Inhaber der EDV-Beratung Dignatz, München. Das Unternehmen ist im Unix-Schulungs- und Projektgeschäft tätig.

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